Invasion der Superväter

Ein Sonntagmorgenrat

Es ist nicht alles schlecht. Genaugenommen ist sogar vielviel mehr gut, sogar sehr gut, als schlecht.

Und diese erbauliche Einsicht kann man sich sogar an sonnigen Sonntagmörgen - auch an bedeckten, vernieselten, dunklen, verhagelten usw. - praktisch erhalten, also ihr balsamisches Bewußtsein hegen, wenn man wenigstens auf eine Kleinigkeit achtet und eine winzige Vorkehrung gegen eine spezielle Lebensartgeschmacklosigkeit trifft.

Früher Vogel verfehlt den Wurm.

Möchte man den sonnigen Sonntagmorgen ohne blutdruckbedingten Milzriß oder granatenmäßig begründeten Supergrant überstehen, sein geistiges wie nervliches Wohlergehen wahren und den Resttag auch für's zarte Gemüt sonnig halten,  muß man, ja: muß man, früh aufstehen.

Jedenfalls früh genug aufstehen, um das knochenmarkgefrierendste, bluterstarrendste und generell unangenehmste Sonntagsphänomen zu meiden, das das moderne, sog. "Familienleben" aus sich entläßt. Es ist dies die Invasion der Superväter, und sie beginnt beiläufig ab 0900.

Die Invasion der Superväter speist sich nicht etwas aus hirnlosem, aber doch ziemlich hirnfixiertem Freßtrieb wie beim klassischen und post-klassischen Zombonen romero'scher und späterer Provenienz und auch nicht aus dem natürlichen Vernichtungstrieb der Killertomate - das ist zwar alles sehr schlimm, aber noch irgendwie zu entschuldigen -, sondern sie gründet in der gleichfalls hirnfreien Freubereitschaft der sog. Eventkultur und besteht in der Heimsuchung von sonntagsgeöffneten Bäckern durch junge bzw. jüngere bzw. sich jung gehalten habende bzw. sich für jung haltende Väter mit ihren kleinen - größere machen den Mist ohnehin nicht mehr mit und schlafen noch - Kindern ohne deren Mütter.

Zu einer rechten, gelungenen Invasion gehört es unbedingt, daß besagte Kinder die anzukaufenden Bäckereiprodukte heute einmal selber und ganz allein aussuchen dürfen -- und auch, wenn sie das tun, was meistens ziemlich schnell geht, weil zwingend entweder sehr Salziges oder sehrsehrsehr Süßes gewählt wird, und auch also gehört zwingend dazu die Umberatung der Kleinen ob ihrer ungesunden Wahl durch vernünftige Superväterargumente, die endlich einmal das Kind so richtig als freies Vernunftwesen ernstnehmen wollen.

Das führt naturgemäß zumeist zu ungeheurem Geplärr, unterlegt wenn nicht mit sonorem, so doch zumindest mit öligem Säuseln betont ruhiger, vernunftgetriebener Superväterstimmen - schade übrigens, das die pflichtgemäß zugehaarigen Zauselbärte nicht auch noch ein eigenes Geräusch machen, aber das nur am Rande. Als feiner Nebeneffekt, der den Brötchenkauf erst richtig zum Event macht, ergeben sich massive Stauungen und Verzögerungen am Bäckertresen, die sich hervorragend zu heiterem, doch niveauvollen Gespräch unter Supervätern eignen, die prinzipiell in Gruppen und uniformiert (Strickmützchen, Outdoorkleidung, entweder Supersandale oder Supersneaker oder Porschewanderschuh) auftreten. Schlimmstenfalls lassen sie die armen Kleinen dann auch noch selber bezahlen. Das führt dann aufgrund der Unkenntnis der zu gebrauchenden Zahlungsmittel zu weiterem Gekreisch, Auftrieb und Stau.

Die beste Zeit des Tags

Weh dem, der dann selbst kein Supervater ist!! Denn auch ganz normale Menschen finden sich sonntagmorgens beim Bäcker ein, um Brötchen zu erwerben. Aber da kann man machen nix, wie der alte Bundeswehrausbilder gesagt hätte. Es hilft auch nicht, sich auf die geometrische Schönheit der Steilkurve des eigenen Launeabfalls zu besinnen, noch weniger, sich in um Zauselbärte kreisenden Gewaltphantasien zu ergehen, denn, ach!, 's bleibt ja Träumerei.

Nur eins hilft, aber dies probat: Früh genug aufstehen, um wenigsten um 0855 den Bäcker betreten zu können. Dann geht es. Sogar sehr gut. Früher ist naturgemäß noch sicherer. Und auch schöner. Aber nicht zu früh! Denn bis 0730 wackeln und müffeln vor dem Tresen kaffee- und trockenfutterbedürftige sehr angetrunkene junge Menschen, die beinah', aber eigentlich in Wirklichkeit bei weiten nicht, den gleichen psychischen Effekt auf Entitäten ausüben wie Superväter.

Am schönsten ist es tatsächlich zwischen 0730 und 0815, wo man, wenn überhaupt, nur erstaunlich wohlgelaunte, zumeist stillvergnügte oder gar witzige Müllmänner (wurde eigentlich für diesen wahrhaft ehrbaren Beruf schon einmal eine Frauenquote gefordert??) und ähnlich respektable Leute trifft und sich sofort wohlfühlt.

Was, eigentlich, verdient Bäckereiverkaufspersonal am Sonntag??