Jetzt neu: Gastfreundschaft unposh !

Jetzt ist schon wieder was in der Zeitung gestanden. Ich geb's jetzt noch einmal brühwarm weiter, und dann möcht' ich wieder was anderes machen können, als ständig galoppierende Fälle von Hirngicht namhaft zu machen.

Es gibt ja in der Zeitung, vermutlich wegen der allgemein meditativen Stimmung gerne sonntags, Seiten oder Rubriken des Grauens. Dort kommt die Zeitung naturgemäß völlig zu sich selbst, weil sie die Maske der Allgemeintauglich- und -zugänglichkeit fallen läßt und zeigt, wer eigentlich und wie winzig der gewünschte, erdachte, erstrebte, erträumte Adressatenkreis ist. Allein und nur deswegen lohnt sich auch für Grattler wie unsereinen die sonntägliche Lektüre der Rubrik "Wohnen" und die werktägliche der Kolumne dieses gepflegten älteren Herren der immer so feine Anlagetipps für Durchschnittsverdiener mit 2 Mio. "auf der hohen Kante" gibt. Derart bequeme Studien in unverhüllter Arroganz und Überlegenheitsanspruch am offenen Herzen der Supererfolgsleute sind sonst kaum möglich - von der heilsamen Erhöhung des Morgenblutdrucks ganz zu schweigem.

Gäste  unposh - Lügen posh

Das Unglück beginnt eigentlich ganz harmlos: Man wird mit der neuen Trendigkeit, Superavantgarde, Angepaßtheit vertraut gemacht, daß das beste und allerallerschönste für den modernen Erfolgsmenschen samt Superfamilie (Paar, 1,5 Kinder, Tier von beliebigem Wuscheligkeitsgrad) eine möglichst kleine Wohnung sei. Da denkt man dann klarerweise zuerst an den Fuchs und die Trauben, an die nachgerade gesellschaftliche Verpflichtung von Superleuten zum Wohnen in Metropolregionen und sagt sich: Schön und gut, der Superschurrnalist samt Familie ist vielleicht auch gar nie zuhause, weil Sensationen, rasende Reportagen und überhaupt Termine, Termine, Termine für alleallealle, aber eine rechte Entität ist halt meistens zuhause und braucht auch da ihren Auslauf und Platz für Bücher, Bier, Nahrung, Unsinn etc. und würde daher am liebsten in einem kleinen Schlößchen mit ganz viel Platz in einem kleinen Städtchen wohnen, obgleich es eine eher größere Wohnung, wo man halt gerade sein muß, auch tut.

Dann prangt aber in einer - rührend schülerhaft aufgestellten, übrigens - Liste von Gründen das Argument der Tante Hildegard, vulgo: des mißliebigen Gastes. Da kracht es dann, und der Blutdruck bewegt sich aufs angenehmste nach oben.

Das Argument ist naturgemäß von alleräußerster Einfachheit und geht so: Früher, in den finsteren Zeiten spießigster Gastfreundschaft legten Leute noch Wert darauf, in ihren Wohnungen ein Gästezimmer auszuweisen und vorzuhalten. Dies könne, ja müsse geradezu die hippe Supererfolgsfamilie sich aber - und eben nicht bloß wegen profaner zu teurer Platzverschwendung! - sparen. Denn es bestünde die stete und offenbar entsetzliche Gefahr der Gästezimmernutzung durch mißliebige Besucher, also Tante Hildegard. Habe man diesen Platz aber erst gar nicht, könnten solche Schreckensgestalten auch nicht einfallen und dadurch sich selbst listig Hotel- und Bewirtungskosten sparen. Daneben sei auch nicht mehr erforderlich, Gründe zu erfinden und vorzuschieben, um entsprechende Besuche zu verhindern. Also weg das Gästezimmer!

Das ist in dieser Unverstelltheit schon so schlimm, daß es wieder originell wird:

Wer eigentlich hat das Gesetz aufgestellt, daß man lügen muß, wenn man irgendeine Person - und sei sie verwandt - nicht unter seinem Dach beherbergen möchte? Man kann das durchaus unter Wahrung aller Etikette so sagen, wie es ist. Oder hofft man etwa auf Tante Hildegards Erbe, gruselt sich aber davor, die erwartbare Freundlichkeit aufzubringen?

Und, wie ist das eigentlich? Wenn man willentlich Platz für ungeliebte Gäste ausschließt, dann hat man doch auch keinen Platz für geliebte Gäste? Oder hat man so etwas in den Zeiten der Asozialiät bzw. Opportunität aller Netzwerke einfach gar nicht mehr? Dies zu schließen, liegt mehr als nahe, denn damit, daß es (ausnahmsweise wenigsten!) nicht nur eine unzumutbare und unhippe Belast- und -lästigung, sondern auch 'mal ganz schön sein könne, Gäste zu haben und Gastfreundschaft zu üben, rechnet der Artikel schon gar nicht mehr.

Lügen posh - Gäste unposh.