Fünf freundliche Menschen

Ich habe dieses Jahr - geliebtes Volk, also sehrsehr wenige an der Zahl, ausgenommen - exakt fünf freundliche und mir ansonsten unbekannte Menschen getroffen: zwei oberpfälzische Bahnerer, einen kurdischen Taxifahrer, einen blonden lübecker Doppelspind vom Sicherheitsdienst einer Klinik und einen fränkischen Portier von derselben Klinik. Also fünf. Ihnen war eines gemeinsam: Sie haben meine Klemme, meinen Kummer, meine Verzweiflung bemerkt und nach ihren Möglichkeiten gehandelt, um mir herauszuhelfen; und zwar ohne irgendwelche Helden- und Großtaten unter Einsatz von Leib und Leben zu vollbringen, sondern nur, indem sie ihren Beruf auf diese Weise ausgeübt haben, die man gerne engagiert nennt, obwohl es reichen würde, davon zu sprechen, daß sie dabei kurz nachgedacht haben. Ich werde diese fünf Leute nie vergessen. Trotzdem geht es nicht um sie, sondern um das Gegenteil.

Denn ich habe im Zuge (höhö) des Kontakts mit den lieben Bahnerern und dem Taxifahrer auch zwölf ganz unfreundliche Menschen getroffen, nämlich zwölf reichsstadtdeutsche und russlanddeutsche nürnberger Taxifahrer. Als ich dem ersten in der Reihe mein selbstverständlich völlig legales und nicht einmal ungewöhnliches (es gibt sogar Formulare dafür, und eins davon hatte ich) Anliegen vortrug, wollte er nicht, habe er noch nie gemacht, ginge nicht, sie dürften das wegen des Chefs nicht usw. Halt alles, was man so sagt, wenn man etwas nicht tun möchte, das man eigentlich dürfte (und womöglich sogar sollte). Alle folgenden haben mich gleich weitergewunken, ohne auch nur die Seitenscheibe herunterzulassen bzw. haben dieselbe schnell noch hochgefahren. Das waren zwölf Stück Taxifahrer. Der letzte in der Reihe war ein kurdischer Papi, der mir gleich die Tür aufmachte, mich anhörte und sagte: "Versuchen wir. Kann nix versprechen. Schnall' Dich an!"

Naturgemäß geht es eigentlich um die zwölf. Oder genauer um das Verhältnis. 12 : 5. Ich glaube nämlich, oder fürchte wenigstens, daß sich das ziemlich allgemein auf die hiesige Bevölkerung übertragen läßt. Zwölf unfreundliche zu fünf freundlichen. Und die wirklich bösartigen würden noch einmal extra gezählt werden müssen. Aber um die geht es nicht, vielleicht auch nur noch nicht. Also viel mehr unfreundliche als freundliche. Deswegen meine ich, dass es Augenwischerei oder Pfeifen im Walde oder sanfte Unaufrichtigkeit oder so etwas ist, wenn man angesichts der um sich greifenden hirnerweichenden öffentlichen Meinungsäußerungen auf unseren Straßen und Plätzen, in Sonderheit Berlins oder Stuttgarts (im Grunde genommen beides verzichtbare Ortschaften) immer und immer öfter hört, daß die schweigende Mehrheit gegen besagte Umtriebe sei und diese gewiß nicht unterstütze. Keine Ahnung, woher man das so nimmt. Bis zum augenfälligen Gegenbeweis gehe ich jedenfalls davon aus, daß der schweigenden Mehrheit diese ganzen Sachen einfach wurscht sind. So wie zwölf nürnberger Taxigschwollschädel*innen auch meine Klemme etc. evident wurscht war.

Ich habe keine Ahnung, ob das "früher" auch so war. Man verklärt die Vergangenheit, besonders die eigene, ja so leicht. Ich weiß aber, was jetzt anders ist, was es "früher" nicht gab, jetzt aber gibt. "Früher" gab es keine ständige Erreichbarkeit von jedermann, was nur der Euphemismus für ständige öffentliche Quatschabsonderungsmöglichkeit samt Gruppenrottung und gemeinsamem Geheul für jedermann ist. Kurz: Es gab keine sog. "sozialen" Netzwerke (soviel Anführungszeichen, wie man hier bräuchte, gibt es gar nicht). Nun bin ich beileibe nicht für die Abschaffung digitaler Kommunikation oder gleich des ganzen Internetzeugs da. Beileibe nicht. Ich frage mich nur zunehmend und habe mich gefragt, seit es das gibt, was für einen guten Grund gibt es eigentlich für - nur beispielsmäßig für alles - Fatzbock-Gebrauch? Außer den naturgemäß, einen Herrn Zuckermann o.s.ä. immer noch reicher zu machen. Aufgrund völliger Erfahrungsabsenz meinerseits - Entitäten gehen nicht in solche, in Wahrheit widersoziale Netzwerke; sie gehen in gar keine Netzwerke - gibt es hier nun dunkles Ahnen, Spekulation. Irgendwie aber schaut es schon so aus, als sei das im Grunde genommen eine Art individualisier-, oder besser: typisierbarer Litfaßsäule, auf der man seine glattlackierte, hochglanzpolierte Oberflächenexistenz und ihre achievements, gar over-achievements der staunenden und hoffentlich neiderfüllten "peer-group" präsentiert oder eben sein allerallertiefstes Leid zur Erzielung möglichst allgemeiner Mitleidswellen und solche Sachen eben in die Welt bläst und posaunt, solange es um Oberflächlichkeit einerseits und Gefühlsgerumpel andererseits geht.

Jetzt ist die Frage: "Braucht's des?" (G. Polt) Man wird gewiss auf Phantastilliarden "Nutzer" verweisen. Aber das beantwortet nicht die Frage: "Braucht's des?" Warum sollt man das brauchen? Warum nur? Um sich eine Art eingebildeter und womöglich trotzdem lukrativer Bedeutung zu verleihen? Sein im Außerhalb des so unsäglich gruppigen, ja vergruppten Netzwerks kaum oder gar nicht sichtbares Selbstbewusstsein aufzublähen? Therapie also? Aber was soll die denn helfen? Ein virtuelles Selbstbewusstsein ist halt kein wirkliches. Warum könnte man dieses ganze Zeug nicht einfach abschalten? Oder besser: Man sollte dieses ganze Zeug einfach abschalten. Herr Zuckermann hat doch eh' schon mehr Geld, als er je ausgeben kann (und wofür sonst sollte man denn Geld haben?). Und e-mails, ein Haufen netter Blokks ohne Kommentarfunktion und so reichen doch auch. Und wirklich wichtige Sachen, also private, erledigt man sowieso am besten mit einem handgeschriebenen Brief.

Über die Kommentarfunktion gehts weiter und wieder zurück. Einmal hat die Entität aus entitätenhafter Neugier deren Resultate angesehen, und zwar nicht in irgendeinem verrufenen Eck des Internets, sondern auf der grundsoliden Seite der Tagesschau. Welcher Artikel ist egal. Was da die Leute einfach so hingeschrieben haben, erfüllt mich immer noch mit Furcht und Schrecken. Seither bin ich überzeugt, daß das Verhältnis von freundlichen zu unfreundlichen im net und den "sozialen" Netzwerken noch ungünstiger ist als draußen und daß ganz viel Unfreundlichkeit in deren Schatten zu schierer Bösartigkeit erblüht.

Daß hier offenkundig eine fossile Entität, mindestens aber ein Dinosaurier schreibt, ein, mit schlappen 50, sog. "Alter Weißer Mann", ist offenkundig. Trotzdem sollte man sich nicht allzu sehr auf unser Aussterben freuen. Nachtrauern wird man uns noch. Denn die nächste Evolutionsstufe ist bereits erklommen, vor aller Welt Augen und doch unbemerkt. Und dabei - ich muß sie enttäuschen - handelt es sich nicht um die sog. Bewohner des sog. Globalen Dorfes, nicht um irgendwelche Nerden, noch Hacker oder sonstige IT-Wizards und schon gar nicht - auch ihn muß ich enttäuschen - um Herr v.u.z. Tesla. Vielmehr - der Atem stockt mir, da ich's schreibe - handelt es sich um Homo trumpo. Dies orangefarbene Ding ist ganz offensichtlich nicht einfach ein erbärmlicher Vorschuss auf ein menschliches Wesen, wie man aus humaner Perspektive denken müßte, sondern, evolutionistisch betrachtet, die nächste Stufe. Ein im Grunde genommen rein virtuelles Wesen, auf nichts festzulegen, völlig prinzipienlos und - das ist das Neue - virtuos im Gebrauch der Netzwerke, ohne dabei zu verstehen, wie sie genau funktionieren. Es reicht zu wissen, daß ihre Dynamik von roher Emotionalität gespeist und getrieben wird. Ist man im Stande, diese intuitiv zu bedienen, ja kann man aus Eigenliebe, Eitelkeit und Opportunismus, schlicht: schierer Gier nach irgendwas, und sei's Bedeutung, gar nicht anders, ist man allen Sauriern überlegen; so wie diese kleinen orangefelligen, lang- und kahlschwänzigen Nager ihnen überlegen waren, weil sie, um deren Beute zu sein, zu klein waren, aber dafür die Sauriereier fraßen.

Schaltete man dagegen diesen ganzen Mist ab, wäre dies Problem wenn nicht gelöst, so doch stark eingeschrumpelt, und ebenso die Kollegenprobleme mit dem spanngesichtigen Zarensurrogat und dem Lebenszeitersatzkaiser von China. Und die Leute könnten auch wieder länger überlegen, bevor sie auf etwas reagieren. Außerdem ist sowieso unklar, wozu dieses sog. "Feedback" eigentlich gut sein soll und warum so großes Verlangen danach besteht. Oder eigentlich ist es so klar, daß man's vielleicht gar nicht sagen mag. Überhaupt: "Feedback"! Als das aufkam, dachte ich an so Leute wie Jimi Hendrix, Ritchie Blackmore, Jimmy Page usw., die erstaunliche Töne und Geräusche dadurch hervorgebracht haben, daß sie, ihre Gitarre greifend, ebendieselbe in mystischen Bewegungen vor den aufgedrehten Marshalls schwangen. Virtuoser Rückkopplungseinsatz halt. Dann aber habe ich gelernt, daß neuerdings ein "Feedback" das ist, was ein jeder Doldi in wertender Absicht zu irgendetwas sagt, was man gemacht hat, ob er  nun davon Ahnung hat oder nicht. Und daß man sich immer schön dafür bedanken muß, habe ich auch gelernt. Und dann ist mir aufgegangen, daß das doch ziemlich viel mit dem Jimi Hendrix und den anderen zu tun hat. Man stellt sich quasi mit seinem Text oder seiner sonstigen Äußerung vor einen Egoverstärker, und je nach dem, was man gemacht hat, erhält man ein wohliges Brummen oder ein empörtes Kreischen oder ein schmerzliches Jaulen usw.

Daß daran Karrieren aller Art hängen können, sehe ich ein. Ob man aber so eine Karriere mögen sollte, ist eine andere Frage, die jeder nach seinem Gemüte beantworten muß. Entitäten jedenfalls mögen das nicht. Trotzdem sind wir damit bei dem, was im Feuilleton "Echokammern" genannt wird. Daß das ein außergewöhnlich bescheuerter Vergleich ist, steht außer Frage. Eigentlich sind diese Netzwerkgemeinschaften, die sich wechselseitig in ihren Idiotien bestärken oder über Angehörige fremder Gruppen herfallen, Feedbackkammern, in denen Beiträge vor Egoverstärkern geschwenkt werden. Ich vermute, man wechselt die Egoverstärker so lange aus, bis man das erwünschte wohlige Brummen erzielt, oder man wird gleich in der rechten Brummtonerzeugung unterwiesen. So wie das oft in der Wissenschaft geht, sofern sie über Interpretationen streitet, besonders wenn es um die hundertste oder tausendste Master-, Doktor-, Habil.arbeit über dasselbe Thema geht. Freilich reden wir hier nicht von epischen Schlachten à la Herr der Ringe (superb öde Filme im übrigen) oder Gigantomachien, sondern eher über den Froschmäuslerkrieg (Batrachomyomachia, sehr lustig, unbedingt lesen). Es geht zwar um nichts, aber dafür mit höchstem Einsatz - jedenfalls von Aplomb. Aber halt ebendeswegen auch so wahnsinnig bedeutsam: Zufriedenes Brummen des egoverstärkten und ganzwichtigen Professors X, aggressives Aufjaulen des unwichtigen Professors Y - ausgezeichnetes Feedback; umgekehrt - schlecht; gar keins - noch schlechter, weil neben den gerade begangenen Pfaden, Verdacht auf Eigenständigkeit, ja -sinnigkeit, gar Exzentrik. Um all dies, also vor allem die ausreichende Glätte für den reißenden mainstream, zu überprüfen, gibt es ja die Themenenge. Etwas zu machen, was noch keiner behandelt hat, quasi Irrsinn, weil dann sowieso kein Feedback.

Dabei - hier schieben wir ein Idyll ein - ist das eigentlich ganz schön. Der Entität selber ging es schon öfter so. Man muß dann halt in der Bibliothek lesen. Da heißt es früh aufstehen. Aber das geht im Sommer ja leicht. Jedenfalls muß man zur Lesesaalöffnung da sein. Nicht, weil man sonst keinen Platz mehr bekäme! Ach wo! Nein, weil man nicht so lange bleiben kann. Zum einen wegen beschränkter Vollkonzentrationszeit und weil man vielleicht noch irgendetwas für den Lebensunterhalt tun muß, aber zum anderen vor allem wegen des Lärms, der ab dem späten Vormittag einsetzt. Es piepst und dudelt, es müssen ständig irgendwelche Nachrichten entgegengenommen und daran anschließend muß aus geheimnisvollen Gründen der Saal verlassen werden. Vor allem letzteres produziert eine Kette von Entsetzlichkeiten. Denn beim Verlassen des Lesesaals entsteht unweigerlich das saugende Klatschgeräusch des sommerfeuchten Fußes an die Gummisandale usw. usf. Und rein müssen sie auch wieder! Also man ist früh da und hat eine Schwarte aus dem 16. oder 17. Jahrhundert vor sich, sagen wir: Theophilus Gale, The court of the Gentiles (weiß gerade nicht, von wann das ist). Bevor man sie aufschlägt, befreit man erst einmal mit zwei bis drei frischen Tempotaschentüchern die Buchblockränder vom Staub der - offensichtlich - Jahrhunderte, weil man sich sonst auch bei kurzer Berührung völlig einsaut. Sodann schlägt man die sacht zusammenpappenden - hat wirklich lange, laaaaange Zeit niemand mehr angeschaut -Seiten mittig und vorsichtig auf und bewundert die Motte (in echt!), die irritiert daraus aufsteigt, und dann kann's schon losgehen. Nicht lange, aber zu kurz ist besser als zu lang, und man kann ja jeden Morgen kommen. Falls man dann was dazu machen sollte, ist Feedbackfreiheit gewiß garantiert. Jedenfalls scheint mir's so. Probiert hab' ich's immer noch nicht. Anderes dazwischengekommen etc.

Also jedenfalls ist die Feedbacksucht ein Problem. Man möchte wetten, daß sie nachließe, wenn es weniger einfach würde, sie zu befriedigen. Dafür braucht man die "sozialen" Netzwerke also auch nicht. Also abermals: Abschalten.

Aber die ganzen hochwohllöblichen Initiativen, Aktivisten und so!! Dafür braucht man das Zeug doch! Ohne bösartig sein zu wollen, scheint man zuerst die Frage stellen zu müssen, ob man in einem funktionierenden freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat erstere braucht. Das mag so ein bißchen ketzerisch klingen, ist aber gar nicht böse gemeint. Es geht vielmehr um sehr Prinzipielles: Es ist gewiß sehr erhebend und so ein bißchen Robin-Hood-mäßig rebellisch, um des Klimaschutzes willen Freitags immer die Schule zu schwänzen. Freilich sieht jedermann, daß dadurch keinerlei Klima gerettet wird. Wenn das passieren sollte, geschieht es durch politische, gesetzgeberische Entscheidungen, die erst einmal die Mühlen der demokratischen Prozessualität durchlaufen müssen. Und wenn die Protestanten dazu beitragen wollten, sollten sie die Jugendorganisationen der Parteien stürmen und vielleicht sogar besonders denen beitreten, die mit dem Klimaschutz auf Kriegsfuß stehen. Dann gibt es auch dort wieder demokratische Prozesse und die Parteilinie ändert sich. Entweder es gelingt so, auf prozessual-demokratischem Wege, oder gar nicht. Schlicht deswegen, weil jeder andere Rettungsversuch die zähen Prozesse aushebeln, überspringen, eliminieren würde. Freiheit wäre dann weg. Jede noch so wohlmeindende paternalistische Diktatur ist ebenso totalitär wie jede linke oder rechte Gewaltherrschaft. In all diesen Schreckenssystemen gilt der harmlos klingende, aber einen echten Totalitaristen ausweisende Satz: "Alles ist politisch, und es gibt nichts Unpolitisches." Also: Nichts ist privat, auf alles hat der Staat Zugriff. Das man sich davor mindestens so arg hüten sollte wie vor der menschengemachten Klimaveränderung (NB: Es liegt im Wesen der Freiheit selbst, daß sich der Mensch aus Freiheit selbst vernichten kann. Das ist zwar doof, aber möglich - leider), liegt auf der Hand. Und daß mit den weltweiten Klimaprotestaktionen, die rein zufällig immer zu Schulzeiten stattfinden mußten, irgendeine neue Art von "Bewußtsein" erzeugt worden ist, kaufe ich niemandem ab. Bewusstsein wird nicht von Außen erzeugt, sondern durch ein Subjekt selbst entwickelt. Und wenn ihm eine Sache, und sei's eine Klimakatastrophe, nun mal wurscht ist, dann ist sie ihm wurscht. Falls sich betreffendes Subjekt dann auch noch ärgert, wenn die Kinder auf der Straße herumspringen, wo sie eigentlich in der Schule sein sollten, trägt dies gewiß kaum zur innig gewünschten Bewußtseinsentwicklung bei...

Also könnte man das ganze "soziale" Netzwerkzeug nicht doch, bitte! BITTE!, einfach abschalten? Das Argument, daß das ja nur ein Werkzeug sei und deswegen auch zweckwidrig gebraucht, also mißbraucht werden könne und man ja Hämmer auch nicht deshalb verbiete, weil man damit Leute erschlagen könne, hat schon einen so langen Bart, daß man eine große Bartwickelmaschine bräuchte. Aber bitte: Zum einen ist völlig unklar, ob man ein "soziales" Netzwerk überhaupt zweckwidrig gebrauchen kann. Darauf läuft immer alles hinaus, was Herr Zuckermann bei irgendwelchen Anhörungen von sich gibt. Und er hat ja recht. Der Zweck ist Kommunikation. Und menschliche Kommunikation besteht nun einmal leider zu einem nicht geringen Teil aus Lügen, Lästern über Abwesende, übler Nachrede, Hetze usw. usf. Dass das jetzt auf einmal in Windeseile weltweit möglich ist, ändert ja nichts daran, daß es sich um menschliche Kommunikation handelt. Und man könne ja schlecht menschliche Kommunikation verbieten.

Die Sache beginnt ab dem vorletzten Satz suspekt zu werden. Man kann durchaus fragen, ob es sich bei der Kommunikation im Netzwerk noch um menschliche handelt. Zumindest die Reichweite ist buchstäblich unmenschlich. Unmenschlich ist aber auch, daß keiner wissen muß, mit wem er in Wahrheit kommuniziert, weil jeder nach Belieben erzählen kann, wer er sein möchte. Und obwohl die schönste Disziplin der Welt in ihren finstersten Stunden geglaubt hat, sich von der Wahrheit verabschieden zu müssen, weil sie sich nicht entblödet hat, von ihrer möglichen Unerkennbarkeit auf ihre wirkliche Inexistenz zu schließen, und irgendwann über der Konzentration auf den Erweis der eigenen Relevanz irrelevant geworden ist, ist Wahrheit kein fossiles Konzept. All die "Hasepupse" und "Führerzwos" in ihren Netzwerken sind auch außerhalb jemand, und zwar - das mag ein Problem sein  - diejenigen, die sie eben sind, ohne Glitzerlackierung und Hochglanzpolitur. Und unter diesen Leuten findet menschliche Kommunikation statt. Unter virtuellen Typen findet nur virtuelle Kommunikation statt und die braucht nicht im geringsten menschlich zu sein. Damit dreht sich alles um.

Der Zweck des sozialen Netzwerks kann gar nicht menschliche Kommunikation sein, weil in ihm keine solche stattfinden kann. Also ist der Zweck ein anderer. Denn ein Instrument ist es jedenfalls. Wie wäre es mit Spielzeug? Ein Spielzeug zur Simulation menschlicher Kommunikation? Damit kommen wir der Sache wohl näher und jedenfalls nah genug. Denn jetzt geht's zurück zum Hammer. Hämmer und alle anderen Werkzeuge (inkl. Wattebäuschchen) werden deswegen nicht verboten, weil sie zwar bedauerlicherweise mißbraucht werden können und auch werden, aber ihr Mißbrauchsrisiko nicht so riesig ist, daß sie aufgrund ihrer inhärenten Gefährlichkeit verboten werden müßten. Daß es so etwas gibt oder jedenfalls Bemühungen darum, ist bekannt: Kernkraft (nicht so gutes Beispiel), Braunkohleverstromung (sehrsehr gutes Beispiel), Schuß- und Kriegswaffen für Privatleute (ausgezeichnetes Beispiel), ABC-Waffen (super Beispiele). 

Nun kann man zweifellos mit simulierter menschlicher Kommunikation einen Haufen Leute und das ganz leicht - Denken wie an unsere Egoverstärker! -manipulieren. Dies bedarf gewiß keines eigenständigen Beweises mehr. Und daß dies, sogar im globalen Maße äußerst gefährlich ist, bedarf auch keines eigenen Beweises mehr. Also abschalten, bitteBitteBITTE.

Aaaaaahhh. Das tat jetzt gut. Sollte man vielleicht doch wieder öfter machen.