Sprach-ver-ro-hung: 3. Advent

Eine tränenschwangere Erinnerung

Horch! Was?

Das wohlfrisierte Autofahrerinnenköpfchen, dem aus dem Cabrio heraus erstaunliche Grobheiten entquellen, dem golfballbehelmten Quadratschädel des outdoorleistungsbesandalten Kampfradfahrers, der in vielleicht nicht einmal tieferer Stimmlage von Sattels Höhe ein gleiches tut, seien gar nicht einer ver-roh-ten Spra-che zu zeihen? Im Gegenteil benutzten sie diese ganz adäquat, seien in ihrem Sprachgebrauch, wenn schon nicht in ihrem -verhalten, also geradezu vorbildlich?

Ja, wie jetzt das??

Ein völlig außer Mode gekommener Zweck des Sprachgebrauchs

Täten wir jetzt ganz altmodisch einmal in Erwägung ziehen, daß einer der Haupt- und Oberzwecke von Sprache ist, ein Mittel zu sein, um anderen Leuten Behauptungen über Sachverhalte mitzuteilen - zu denen auch, in GOttes Namen, die eigene, obschon allermeistens völlig uninteressante Befindlichkeit und die dieser leider ebenfalls zumeist entwuchernden Meinungen zählen mögen -, kämen wir der Antwort schon arg auf die Spur. Dann machen wir das halt, und sagen einmal so: Wenn es Sprache in ihrem alltäglichen Gebrauch - also nicht etwa in Literatur und Dichtung und so Feinzeug - oft und gern um die Mitteilung von og. Sachverhalten gehen täte, ja geradezu ginge, also praktisch so kommunikationsmäßig; und wenn es dafür "scho' au' irgendwie" (J. Löw) ganz gut wäre, daß der, der's hörliest, - also der jeweils andere, nicht wahr - auch noch wissen soll, was ihm da denn mitgeteilt werden soll, also daß der pfeilgrad genau das versteht, rafft, mitschneidet usw., was der Sprechschreiber möchte, daß der Hörleser verstehen soll, dann wäre es bestimmt auch ganz gut, eigentlich sogar richtiggehend nötig, daß das, was mitgeteilt werden soll, klar und deutlich, am besten möglichst eindeutig mit den für diesen Zweck bereitliegenden und vorgesehen Worten in schöner grammatischer Anordnung gesagt wird, gell.

Wenn jetzt also ein Sprecher die Absicht hat, seinem Unmut - dem Kochen des Blutes in der Herzgegend - Luft zu machen und dem auserwählten Hörer zu diesem Behufe schlimme Grobheiten entgegenschleudert, um diesen angelegentlich einer vermeinten Verfehlung seine allgemeine oder spezielle Unwürde zu verdeutlichen, und ihn also zu beleidigen, und genau das mit Erfolg macht, dann kann man ihm wenigstens nicht den Vorwurf machen, Sprache zweckwidrig benutzt zu haben. Weil: Die Botschaft ist ja schön angekommen - zu erkennen an einer umgehend eintretenden Gesichtsrötung des Hörers und vielleicht sogar weiterer, noch degoutanterer Antworten usw. Ein feines Beispiel gelungener Kommunikation, praktisch.

So ist es freilich auch sonst, wenn es um's Mitteilen geht - von Kochrezepten, Zugfahrzeiten, Liebeserklärungen (schwierig, aber möglich!), Fußballbeurteilungen (schwieriger!), von allem halt, was Behauptungen einchließt und irgendwie wahr oder falsch sein kann.

Auf letzteres heißt es besonders aufzumerken! Denn daß Sätze, Behauptungen auch falsch sein können, ändert ja nichts daran, daß sie klar formuliert und gesagt werden müssen, damit sie verstanden werden können - wenn sie denn verstanden werden sollen.

Da ist etwa der sog. "Fliegenschiß" (Quelle bek.) ein schönes Beispiel. Wird diese blumige Metapher verwendet, soll damit gesagt werden, daß das, was man so tituliert, etwas gänzlich Unbedeutendes, völlig zu Vernachlässigendes ist. Soweit besteht nicht die mindeste Unklarheit. Sprachgebrauchmäßig prima gemacht. Wenn es dabei um etwas Supermegariesiges von schier unüberschaubarer Bedeutungsmacht geht, dann ist die Metapher und mit ihr der ganze Satz halt falsch. Und wenn der Sprecher das dann auch noch weiß, dann hat er halt gelogen. Oder er spinnt. Fertig.

Daß Sprache auch dazu gebraucht werden kann, um falsche Sachen zu sagen, ist so besonders nicht - sie ist ja nur ein Mittel, ein Werkzeug, und man kann Vorschlaghämmer oder '44er Magnums (Magnuminen?) auch als Briefbeschwerer verwenden. Das liegt am Besitzer bzw. Gebraucher bzw. Sprecher. Aber auch dann wird er auf Klarheit und Eindeutigkeit achten müssen - wenn er denn, wie gesagt, überhaupt verstanden werden will oder überhaupt die Absicht hat, einem anderen etwas Bestimmtes mitzuteilen.

Und daran oder besser: am Mangel daran, so schaut's jedenfalls aus, hängt das ganze Gegreine über die sog. "Sprach-ver-ro-hung". Aber das ist etwas für die letztendliche Ankunft, oder kurz davor. Jedenfalls nicht mehr lang vor dem Essen.